Landtagsrede vom 17. August 2016

Stenografischer Bericht der 102. Sitzung des Niedersächsischen Landtags

Tagesordnungspunkt 4: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2016 (Nachtragshaushaltsgesetz 2016)  – Gesetzentwurf der Landesregierung –

Reinhold Hilbers (CDU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Minister, Sie legen heute den Nachtragshaushalt vor, den wir bereits in der letzten Plenarwoche vor den Ferien gefordert haben. Damals haben wir Sie aufgefordert, kommunalfreundliche Politik zu machen und die Kommunen nicht im Regen stehen zu lassen. Ich erinnere daran, dass die HAZ auf der erste Seite titelte: 680 Millionen Euro Defizit haben die Kommunen einzubuchen. – Das fehlt in der Kasse. Sie haben damals nicht darauf reagiert.

Ferner haben wir gefordert, dass Sie die Nettokreditaufnahme absenken und die Krankenhausfinanzierung vernünftig ausgestalten.

Damals haben Sie sich noch geziert, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Aber dann kam Ihre Haushaltsklausur, und es kamen die Beschlüsse des Deutschen Bundestages bzw. der Bundesregierung, wo in nächtlichen Verhandlungsrunden abgemacht worden ist, dass Sie zusätzlich 250 Millionen Euro aus den Mitteln der Flüchtlingshilfe bekommen. Außerdem haben Sie aufgrund der Mai-Steuerschätzung über 300 Millionen Euro mehr zur Verfügung.

Nach alledem konnten Sie sich nicht mehr dagegen wehren, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Sie haben das nicht gemacht, weil Sie eine besonders kommunalfreundliche Politik machen wollten, sondern Sie sind zum Jagen getragen worden, Herr Minister.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Entwicklung der Einnahmen ist einfach traumhaft. Ich will einige Zahlen nennen: Im Jahr 2016 haben Sie jetzt Einnahmen von 24,7 Milliarden Euro. Das sind über 550 Millionen Euro mehr, als im Grundhaushalt 2016 veranschlagt waren. 308 Millionen Euro davon resultieren aus der Mai-Steuerschätzung. 2019 kommen Sie sogar auf 2,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen gegenüber den bisherigen Planungen aus dem vergangenen Jahr 2015.

Die Steuereinnahmen des Jahres 2016 weisen gegenüber der Veranschlagung im Nachtragshaushalt 2015 ein Plus von 1,6 Milliarden Euro auf. Das sind 7 % mehr. Gemessen an 2013 sind es sogar 3,4 Milliarden Euro, also 16 % mehr. Und gegenüber 2012 wird das Land unter Rot-Grün 2016 rund 20 % mehr einnehmen. Eine Steigerung von 20 % – das macht deutlich, dass Sie sich in der Komfortzone befinden, meine Damen und Herren.

Das Gleiche erleben wir bei den Zinskosten: Für das Jahr 2016 hatte Rot-Grün anfangs 1,56 Milliarden Euro eingeplant. Jetzt sind es noch 1,44 Milliarden Euro. Das sind rund 299 Millionen Euro weniger als 2015 und rund 502 Millionen Euro weniger als 2012. Es sind auch 449 Millionen Euro weniger, als Rot-Grün und Sie, Herr Minister, in Ihrer eigenen Mipla angenommen haben. Wenn Sie die Mipla-Werte von 2012 – 2,4 Milliarden Euro – mit denen für 2020 – 1,5 Milliarden Euro – vergleichen, dann haben wir in der Zeit eine Entlastung im Zinssektor von 900 Millionen Euro, also von knapp 1 Milliarde Euro.

Noch einmal: 20 % Steuermehreinnahmen und 900 Millionen Euro weniger Zinsausgaben. Hinzu kommen Rücklagen von 550 Millionen Euro, die wir Ihnen hinterlassen haben. Aktuell umfasst das Rücklagenpolster knapp 1 Milliarde Euro, wegen der guten Einnahmeentwicklung.

Das ist die Ausgangsbasis. Jetzt können Sie analysieren, was Sie daraus machen.

Aber trotz dieser traumhaften Zahlen, die ich Ihnen eben vorgetragen habe, wollen Sie die Neuverschuldung mit dem Nachtragshaushalt 2016 nicht absenken. Das hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Ich hätte erwartet, dass Sie die Nettokreditaufnahme von 480 Millionen Euro auf null setzen oder sie zumindest deutlich absenken. Aber das ist bei Ihnen nicht eingeplant. Das machen Sie nicht. Das ist ein Fehlverhalten, Herr Minister. Das ist unambitioniert und wird der aktuellen Situation nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auf der kommunalen Seite steuern Sie nur deshalb nach, weil Sie es gegenüber den Kommunen und gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr aushalten können. Dass Sie nachsteuern, begrüßen wir sehr. Das hatten wir ja auch gefordert, und zwar schon im Dezember letzten Jahres. Wir hatten von Ihnen gefordert, um ein Jahr vorzuziehen und die Kommunen ordentlich zu bedienen.

Was Sie jetzt tun wollen, entspricht exakt den Summen, die wir bereits im Dezember 2015 gefordert haben. Damals haben Sie das noch abgelehnt. Aber jetzt haben Sie es vor dem Hintergrund der Kommunalwahl und vor dem Hintergrund, dass der Bund Ihnen mit über 500 Millionen Euro hilft, nicht mehr durchhalten können, das alles so zu belassen. Deswegen haben Sie einen Nachtragshaushalt vorgelegt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Neben der Absenkung der Nettokreditaufnahme haben Sie es auch wieder unterlassen, die Investitionsquote anzuheben. Wenn Sie im nächsten Sitzungsabschnitt den Doppelhaushalt 2017/2018 vorstellen, werden Sie etwas dazu sagen müssen, wie Sie diese niedrige Investitionsquote weiter vertreten wollen. Die PwC hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass Niedersachsen im Bereich der Sachinvestitionen Schlusslicht unter den Bundesländern ist.

Die Investitionsschwäche wird dort neben der Tatsache tituliert, dass sich das Lob auf die Jahre 2012 bis 2015 bezieht. Davon waren zwei Jahre noch durch uns geprägt. Und Sie sind aufgrund der Kommunen zu den guten Leistungen gekommen. Diese Studie trägt nun wirklich nicht dazu bei, Ihre Finanzpolitik gutzuheißen, sondern ist eine Bilanz unserer Finanzpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben immer wieder gesagt – Herr Heere war auch immer dabei -, dass es Ihnen gar nicht so sehr darum geht, die Nettokreditaufnahme abzusenken, sondern in erster Linie darum, das strukturelle Defizit zu bereinigen. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Im Jahr 2012 belief sich das strukturelle Defizit auf 749 Millionen Euro. Im Jahr 2013 – Auswirkungen der Kapitalmarktkrise – waren es 998 Millionen Euro. Im Jahr 2014 lag das Ist bei 90 Millionen Euro. 2015 haben Sie 426 Millionen ausgewiesen. Im Nachtragshaushaltsplan 2016 sind es nun 650 Millionen Euro. Für 2017 sind 767 Millionen Euro ausgewiesen und für 2018 400 Millionen Euro. Für 2019 gehen Sie noch von 97 Millionen Euro aus. Das zeigt: Sie bauen Ihr strukturelles Defizit überhaupt nicht ab – im Gegenteil!

Die von uns erstellte Mipla 2012 bis 2016 hatte für 2016 ein strukturelles Defizit von 397 Millionen Euro ausgewiesen. Sie hingegen planen mit einem strukturellen Defizit von 650 Millionen Euro. Damit liegen Sie 64 % über unserem Planungsziel.

Herr Minister, Sie kriegen Ihre schwarze Null nur hin, weil Sie in der Vergangenheit viele Schulden gemacht haben, die Sie nicht hätten machen müssen und die Sie in die Rücklage gebucht haben. Jetzt packen Sie diese wieder aus. Ihre schwarze Null ist ein Fake, Herr Minister!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben gegenüber unserer Finanzplanung in der Zeit von 2013 bis 2016   710 Millionen Euro zusätzliche Schulden gemacht. Diese Mittel haben Sie aber nicht benötigt, sondern in die Rücklage gepackt. Und jetzt packen Sie sie wieder aus, um die schwarze Null zu erreichen: 400 Millionen Euro nehmen Sie für das nächste Jahr aus der Rücklage, weitere 400 Millionen Euro für das übernächste Jahr und 90  Millionen Euro für das darauf folgende Jahr.

Das alles sind gebunkerte Kreditermächtigungen, von denen wir schon in der Vergangenheit gesagt haben, dass sie nicht notwendig sind. Wären Sie uns da gefolgt, hätten Sie allerdings Konsolidierungsbemühungen ergreifen müssen. Das wollten Sie aber nicht. Deswegen haben Sie Schulden vorgezogen.

Heute lassen Sie sich für die schwarze Null feiern. Aber damit täuschen Sie die Öffentlichkeit! Sie haben die Kredite nur vorweggenommen. Ihre schwarze Null ist nicht belastbar und nicht beleihbar, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zur Aufgabenkritik ist von Ihnen auch nichts mehr zu hören. Darum ist es mächtig ruhig geworden.

Ich zitiere aus Ihrer Mipla von 2013. Auf Seite 4 heißt es dort:

„Eine notwendige Voraussetzung für diesen Weg ist eine restriktive Haushaltsplanung und -bewirtschaftung. Damit allein ist es aber nicht getan: Wir müssen auch untersuchen, welche Aufgaben das Land in Zukunft noch leisten kann und muss. Wir werden deshalb eine Aufgabenanalyse vornehmen, die bereits Entlastungen im Haushalt 2015 ermöglichen soll. Ein entsprechendes Projekt ist auf den Weg gebracht.

Wir werden uns unter anderem der Tatsache stellen müssen, dass sich sowohl die Zahl als auch die Altersstruktur der Bevölkerung in naher Zukunft erheblich ändern wird. Dieser Umstand kann nicht ohne Auswirkungen auf Verwaltungsstrukturen und -abläufe bleiben.“

Daraufhin hat Rot-Grün Projektgruppen eingesetzt. Dabei sind 130 Beschäftigte herausgekommen. Ansonsten: Fehlanzeige!

Sie haben gesagt, Sie würden noch in dieser Periode Ergebnisse erzielen. Diesen Vorsatz haben Sie aber schon 2015 aufgegeben und gesagt, in der nächsten Periode, bis 2016, erzielen Sie Ergebnisse. Und jetzt geben Sie auf Veranstaltungen leise zu, dass in dieser Periode gar nichts mehr zu erwarten ist. Ihre Aufgabenkritik ist ein Flop, Herr Minister!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was Sie für die Kommunen tun, ist Ihnen in den Schoß gefallen. Die konjunkturelle Entwicklung und die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank spielen Ihnen hier in die Karten. Sie haben schlicht und einfach Glück. Was Sie finanzieren, finanzieren Sie aus Mehreinnahmen und Einsparungen bei Zinsen und Ähnlichem.

Deswegen ist es auch nur recht und billig, dass Sie unserer zentralen Forderung nach einer Besserstellung der Kommunen nachkommen. Das haben unsere Kommunen verdient. Ich erinnere an unsere Anfrage. Die Kommunen sollten 680 Millionen Euro für ihre Verbindlichkeiten einbuchen. Deswegen ist es gut, dass Sie diese gigantische Entwicklung, die Sie bei den Finanzen haben, nun auch nutzen und die Kommunen nicht länger als Reservekasse verstehen. Sie müssen jetzt diesen Spielraum nutzen, um die Rahmenbedingungen für die Kommunen zu verändern. Deswegen haben Sie die Schatulle aufgemacht.

Allein im Jahr 2016 entlastet der Bund Länder und Kommunen um über 32 Milliarden Euro. Rund 3 Milliarden Euro davon erhalten das Land Niedersachsen und seine Kommunen. 595 Millionen Euro erhält das Land zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Die setzen Sie jetzt ein. Das ist schon eine „großartige“ Politik des Landes; denn nach dem Aufnahmegesetz sind Sie dafür zuständig. Sie müssen Freiräume schaffen, um das zu finanzieren.

Dass sich der Bund jetzt engagiert, ist gut und ein Zeichen seiner vorausschauenden Politik. Aber wenn Sie sagen, dass das noch nicht alles sein kann, darf ich Sie daran erinnern, wem die Aufgabe eigentlich zukommt: Sie liegt bei Ihnen und nicht beim Bund.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Hinzu kommt, dass Sie auch beim BAföG entlastet worden sind, und zwar in Höhe von knapp 100 Millionen Euro in den nächsten Jahren.

Der Bund entlastet auch die Kommunen bei den Kosten für Unterkunft und Energie im Umfang von über 1 Milliarde Euro – mit steigender Tendenz. Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht, die Länder und die Kommunen zu entlasten. Jetzt sind Sie dran. Dieser Nachtragshaushalt erledigt nur das, was Sie aufgrund politischen Drucks machen müssen. Das ist ein Reparaturbetrieb. So wie Ihre Flüchtlingspolitik von Reparaturmaßnahmen geprägt ist, ist auch Ihre Finanzpolitik ist von Ad-hoc-Beschlüssen geprägt.

Machen Sie eine stringente Politik! Sorgen Sie dafür, dass die Nettokreditaufnahme abgesenkt wird! Sorgen Sie dafür, dass die Investitionsquote wieder ansteigt! Fangen Sie mit Ihrer Aufgabenkritik an! Fangen Sie mit Konsolidierung und Modernisierung an! Dann haben Sie uns bei Ihrer Finanzpolitik auf Ihrer Seite.

Sie werden Ihrer Aufgabe und Ihrer Verantwortung in der Finanzpolitik in diesem Land nicht gerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank, Herr Kollege.

 

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