Landtagsrede vom 17. Februar 2016

Stenografischer Bericht der 88. Sitzung des Niedersächsischen Landtags

Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes über die Pflegekammer Niedersachsen – Gesetzentwurf der Landesregierung –

Reinhold Hilbers (CDU):

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident!

Auch wir sind für gute Pflege und für gute Bedingungen sowie dafür, das Image des Pflegeberufs zu verbessern, die Qualität der Pflege zu steigern und die Pflege gut zu finanzieren. Wir sind allerdings der Auffassung, dass das von Ihnen hierfür gewählte Instrument, eine Kammer einzurichten, das falsche Instrument ist, um diese Ziele erreichen zu können.

(Johanne Modder [SPD]: Welche haben Sie dennÄ)

Sie haben von einem Meilenstein gesprochen, Frau Ministerin. Ich glaube eben nicht, dass es ein Meilenstein ist. Im Gegenteil! Es wird ein zahnloser Tiger sein. Und das müssen Sie all den Menschen erklären, die damit Hoffnungen verbinden und die zur Finanzierung beitragen.

Auch ich begrüße alle diejenigen, die hier sind, um sich unsere Diskussion anzuhören, herzlich: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Diakoniekrankenhauses Rotenburg, aber auch diejenigen, die sich für die Pflegekammer aussprechen. Auch wir haben mit vielen darüber Gespräche geführt. Glauben Sie mir, dass wir uns die Abwägung, wie wir mit dieser Frage umgehen, nicht leicht gemacht haben; denn auch wir sind der Auffassung, dass man das Image der Pflege in Deutschland steigern muss und dass wir die Situation verbessern müssen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Was wollen Sie dennÄ Nicht immer nur Nein sagen, sondern auch sagen, was man selber will!)

Wir müssen schauen, ob dieses Instrument das richtige ist.

(Anja Piel [GRÜNE]: Wir warten auf den Vorschlag!)

Schauen Sie doch zunächst einmal in die Stellungnahmen hinein! Es ist immer gut, wenn man sich ein bisschen damit auseinandersetzt, sich vor Augen zu führen, was diejenigen, die dort tätig sind und die dort bislang Aufgaben übernehmen, zu solchen Fragestellungen zu sagen haben. Wenn Sie sich die Liste der Stellungnahmen anschauen, dann werden Sie erkennen, dass Sie hier auf einem Holzweg sind.

Frau Ministerin, ich kann Ihnen ein Zitat, das Sie kennen, nicht ersparen. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident:

„Die Pflegekammer trägt nicht dazu bei, die drängenden Probleme im Bereich der (Alten)pflege zu lösen.  Mit freundlichen Grüßen Cornelia Rundt“

Das ist die Stellungnahme der Freien Wohlfahrtspflege, damals noch von Ihnen, Frau Ministerin, unterschrieben. Jetzt haben Sie ein anderes Gewand an und einen anderen Hut auf und haben plötzlich eine andere Meinung. Eine andere Erklärung und eine Entkräftung der Argumente von damals habe ich nicht vernommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Heute Morgen haben Sie von ver.di noch einmal 5 000 Unterschriften von Pflegekräften erhalten, die sich gegen die Pflegekammer aussprechen. Gut 6 000 haben Sie schon. Sie merken: Diese Zwangsbeglückung stößt zunehmend auf Kritik. Die Menschen wehren sich gegen diese Einrichtung, indem sie Unterschriften dagegen sammeln.

Es gibt eine ganze Phalanx von Verbänden, die sich dagegen ausgesprochen haben. Ich will Ihnen nur einige nennen: Der Arbeitgeberverband Pflege,

(Petra Tiemann [SPD]: Klar, der Arbeitgeberverband!)

die Arbeitsgemeinschaft Privater Heime und Ambulanter Dienste, der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, Deutscher Berufsverband für Altenpflege, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Deutscher Verband der Leitungskräfte von Alten- und Behinderteneinrichtungen, die Gesundheitskasse AOK Niedersachsen, der Gesamtpersonalrat der Landeshauptstadt Hannover für die städtischen Pflegeheime, der Hartmannbund,

(Petra Tiemann [SPD]: Na sowas, der HartmannbundÄ)

die Innungskrankenkasse (IKK), die Knappschaft Hannover, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege – sie hat sich in Gänze dagegen ausgesprochen -, der Landesverband Mitte der Betriebskrankenkassen (BKK), die Landwirtschaftliche Krankenkasse, der Niedersächsische Landkreistag, der Niedersächsische Städtetag, der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund.

(Anja Piel [GRÜNE]: Das ist doch kein Vorlesewettbewerb!)

– Ich weiß ja, dass Sie das nicht hören wollen! Aber es ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Noch heute, aktuell zu Ihren Beratungen, hat der SoVD im Online-Bereich eine neue Broschüre herausgegeben, weil er die Hoffnung noch immer nicht aufgibt, dass Sie, meine Damen und Herren, einlenken und zur Vernunft kommen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Herr Hilbers, wir warten immer noch auf Ihre Vorschläge!)

Ver.di und der DGB drucken bunte Broschüren gegen Ihre Politik. Das muss Sie, meine Damen und Herren, doch nachdenklich machen. Ich will daraus nur einen Satz zitieren. Sie haben nämlich ver.di bei Ihrer Verbandsbeteiligung überhaupt nicht beteiligt,

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Ach ja!)

weil Ihnen die Stellungnahme, die Sie erwartet haben, nicht gefiel. – Deshalb schreibt ver.di im Resümee: Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt. – Das drückt aus, wie Sie unterwegs sind, wie Sie mit Kritikern umgehen und wie Sie mit der Einstellung der Gewerkschaften umgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein weiterer Punkt ist die Tatsache, dass Sie noch vor den Gesetzesberatungen, noch bevor der Referentenentwurf veröffentlicht war, zu einer Gründungskonferenz am 28. Juli 2015 eingeladen haben. Der Bitte, diese Konferenz anders und nicht „Gründungskonferenz“ zu nennen, haben Sie nicht entsprochen. Das mündet dann in dieser Stellungnahme: Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt. – Ich schaffe schon einmal Fakten, bevor das parlamentarische Verfahren überhaupt angelaufen ist.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Was ist das für eine krude Argumentation!)

Ich nenne auch noch Zitate in dem Zusammenhang. Der Landesleiter von ver.di hat gesagt, das sei der größte Flop von Rot-Grün. Herr Tölle vom DGB spricht von „Monstrum ohne Nutzen für die Beschäftigten“. Und der UVN sagt „unsinnige Verschwendung von Steuergeldern“. – Das sind die Reaktionen, die Sie ernten. Das müsste Sie im Hinblick darauf, wie Sie mit diesen Diskussionen umgehen, eigentlich nachdenklich machen.

(Johanne Modder [SPD]: Sagen Sie doch einmal, was Sie für die Pflegekräfte genau wollen! – Uwe Schwarz [SPD]: Herr Hilbers, hat die CDU einen Vorschlag, irgendeinenÄ – Gerd Ludwig Will [SPD]: Wo ist denn Ihr KonzeptÄ)

Ich sage Ihnen, dass die Kammer ein ungeeignetes Instrument ist, um die Pflege voranzubringen. Ich sage Ihnen, lieber Kollege, auch, warum.

Sie wollen eine Zwangsmitgliedschaft für 70 000 examinierte Pflegefachkräfte in Niedersachsen durchsetzen. Diese Kammer muss, um arbeitsfähig zu sein, nach Ihrer Vorstellung 53 Menschen beschäftigen. Das Ganze wird 4,8 Millionen Euro kosten, und 8 bis 10 Euro pro Beschäftigten pro Monat, respektive 120 Euro im Jahr, hat jede examinierte Fachkraft/jeder examinierte Fachpfleger für diese Kammer zu bezahlen, meine Damen und Herren.

Das sind Kosten, die Sie erzeugen. Dem muss man auch einen Mehrwert entgegenstellen. Sie glauben doch wohl nicht, dass Sie damit das Image der Pflege wahnsinnig verändern! Die Ärzte haben doch nicht deshalb ein hohes Ansehen und der Beruf hat doch nicht deshalb einen hohen Stellenwert, weil sie eine Ärztekammer haben. Es ist doch ein Trugschluss und Unfug, dass das daran liegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Zuruf von der SPD: Was sind denn Vorschläge für entscheidende ÄnderungenÄ)

– Ich komme gleich dazu, was man entscheidend verändern muss!

Ich glaube, dass Sie hiermit einen Apparat aufbauen und den Menschen durch eine Zwangsmitgliedschaft Kosten auferlegen, der das, was Sie erwarten, nicht leisten kann. Das führt dann zu großen Enttäuschungen, sodass Sie der Pflege einen Bärendienst erweisen, indem Sie den Beruf noch unattraktiver machen, weil Sie ihn mit zusätzlichen Kosten bzw. Abgaben versehen.

Ich sage Ihnen, dass das der falsche Weg ist. 47 % lehnen übrigens die Zwangsmitgliedschaft ab. Frau Ministerin, die Zahl, die Sie ermittelt haben, haben Sie aus der Frage abgeleitet, welchen Beitrag man bereit sei, zu zahlen. Sie haben dann die Zahl derjenigen, die 5 bis 9 Euro zahlen wollen, und die Zahl derjenigen, die 10 Euro zahlen wollen, und die Zahl derjenigen, die darüber hinaus etwas zahlen wollen, zusammengezählt. Diese Frage, wie viel diejenigen dann dafür zahlen wollen, setzt aber voraus, dass eine Kammer eingerichtet wird. Wenn Sie fragen, wie viele eine Zwangsmitgliedschaft wollen und wer dazu Beiträge zahlen will, dann lehnen in der Umfrage 47 % diese Pflegekammer ab, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

Herr Kollege, jetzt darf ich Sie kurz unterbrechen, weil Herr Kollege Maximilian Schmidt Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen würde.

Reinhold Hilbers (CDU):

Wenn Sie mir das nicht auf die Redezeit anrechnen, kann er die Frage gerne stellen.

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

Zwischenfragen werden nie auf die Redezeit angerechnet. Selbst die Zeit, die Sie für die Antwort auf die Zwischenfrage benötigen, ist nicht Teil der Redezeit.

Reinhold Hilbers (CDU):

Sehr gut.

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

Herr Kollege Schmidt, Sie dürfen fragen. Bitte!

Maximilian Schmidt (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Hilbers, Sie haben in Ihrer Rede gerade das Stichwort „Enttäuschung“ genannt. Meine Frage an Sie ist: Was ist denn neben Ihrer Kritik eigentlich Ihr Vorschlag zur Verbesserung der Qualität und der Arbeitsbedingungen in der PflegeÄ Dazu war in Ihrer Rede bis jetzt noch gar nichts zu hören.

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

Nun dürfen Sie fortsetzen. Bitte!

Reinhold Hilbers (CDU):

Das kommt entsprechend der Systematik meiner Rede an späterer Stelle. Ich werde noch weiter darauf eingehen. Ich werde jetzt aber auch angesichts Ihrer Frage gerne die Zeit nutzen, dazu etwas zu sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich meine, es ist entscheidend, dass wir dazu kommen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern, und dass wir dadurch die Attraktivität des Berufs steigern. In unserer Regierungszeit ist dazu schon ein ganz wesentlicher Meilenstein ausgehandelt worden, indem damals durchgesetzt worden ist, dass Tariflöhne bei Pflegesatzverhandlungen nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. Das ist in Berlin durchgesetzt worden. Schauen Sie sich die Verbesserungen an, die jetzt im Pflegestärkungsgesetz auf Bundesebene beschlossen worden sind. Sie bringen erhebliche Verbesserungen in dem Bereich, meine Damen und Herren. Das sind konkrete Maßnahmen.

Wir haben damals die Schulgeldbezuschussung, die Sie jetzt in eine gesetzliche Regelung übergeleitet haben, ins Leben gerufen und finanziert. Das war der Pflegepakt, den wir damals vereinbart haben. Das sind Maßnahmen gewesen, die wirklich den Charakter eines Meilensteins haben. Das gilt aber nicht für das, was Sie hier machen, indem Sie eine Institution schaffen, ein bisschen Bürokratie draufsetzen und dann sagen, dass dadurch in der Pflege alles besser wird. – Dadurch wird in der Pflege konkret nichts besser werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Petra Tiemann [SPD]: Das ist nicht einmal eine fundierte Argumentation!)

– Ja, Sie müssen schon darauf achten, dass Sie die Dinge auch beim richtigen Namen nennen! Eine gute Bezahlung in der Pflege ist wichtig. Deswegen ist der Tarifvertrag Soziales, der für allgemeinverbindlich erklärt wird, ein elementarer Bestandteil, zu dem wir gelangen müssen. Dabei müssen auch Sie Ihrer Aufgabe gerecht werden, indem Sie mit den Kostenträgern so verhandeln, dass die Kommunen gute Bezahlung nicht verhindern, sondern dass auch weiter gut bezahlt wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Petra Tiemann [SPD]: Zehn Jahre nichts gemacht!)

Dann findet der Wettbewerb nämlich über die Qualität statt und nicht mehr über die Frage, wer die günstigsten Tarife hat, meine Damen und Herren.

Ein weiteres Argument gegen die Pflegekammer ist die Aufspaltung der Gruppe der Pflegekräfte in diejenigen, die der Kammer angehören, nämlich die examinierten Fachkräfte, und diejenigen, die nicht Fachkräfte sind, nämlich die Pflegehilfskräfte, die dieser Kammer nicht angehören. Ich habe bereits den wesentlichen Kritikpunkt aufgegriffen. Er besteht darin, dass sachgerechte und professionelle Pflege sichergestellt werden muss. Dies geschieht aber nicht durch die Kammer.

Es gibt einen diametralen Unterschied zwischen den Berufen, bei denen Kammern in Selbstverwaltung deren Dinge regeln können, und der Pflege, bei der wesentliche Dinge gesetzlich geregelt sind. Dies gilt beispielsweise für die Frage, wer Pflege betreiben darf und über welche Ausbildungsinhalte man verfügen muss. Das ist bundesgesetzlich geregelt. Es ist bundesgesetzlich geregelt, welche Anforderungen man zu erfüllen hat, und es ist gesetzlich geregelt, welche Anforderungen die Einrichtungen zu erfüllen haben. Der diametrale Unterschied besteht darin, dass die Rahmenbedingungen von Ausbildung und Qualitätssicherung gesetzlich geregelt sind und die Kammer lediglich in der Diskussion darüber mitwirken kann, aber überhaupt keinen Einfluss nehmen kann. Das Weitere machen die Berufsverbände. Die Tarife handeln die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände aus.

Die Entgelte, die in der Pflege gezahlt werden, die Pflegesätze, werden zwischen den Kostenträgern, den Kassen, den kommunalen Verbänden und den Anbietern jeweils individuell ausgehandelt. Auch da sitzt die Pflegekammer nicht mit am Tisch. Sie kann keinen einzigen Beitrag dazu leisten, dass auch nur in einem einzigen Heim ein einziger Pflegesatz steigt, meine Damen und Herren. Deswegen ist sie an dieser Stelle zahnlos. Sie gaukeln den Menschen etwas vor, was nicht da ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Kammern regeln in der Regel auch die Altersversorgung. Das ist bei abhängig Beschäftigten nicht notwendig. Sie könnten noch die Weiterbildungsfrage regeln. Aber auch die Fragen der Fort-, Weiter- und Ausbildung sind ganz wesentlich gesetzlich geregelt. Wegen der Anforderungen in der Pflege und der besonderen Sensibilität hat sich der Gesetzgeber ausbedungen, das selbst zu tun.

Das fünfte Argument gegen die Pflegekammer ist, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege dadurch nicht verbessert werden können. Beispielsweise die Frage, wie viel Personal exakt eingesetzt wird – jetzt auch nach dem Pflegestärkungsgesetz – und wie übergeleitet wird, muss zwischen den Kostenträgern, den verantwortlichen Anbietern und deren Spitzenverbänden ausgehandelt werden. Das obliegt nicht einer Kammer. Das kann eine Kammer auch nicht normieren. Sie sitzt nicht einmal mit am Tisch. Säße sie mit am Tisch, dann wäre dies ja noch eine Überlegung wert. Aber sie ist nicht einmal beteiligt, solche Dinge auszuhandeln und zu gestalten.

Das macht doch deutlich, dass Sie hier ein Instrument aufbauen, das bei der entscheidenden Frage der Vergütung, bei der entscheidenden Frage der Pflegesätze, bei der entscheidenden Frage des Personalschlüssels und bei der entscheidenden Frage, wie viel Dokumentation man braucht, nicht mit am Tisch sitzt und nicht mit dabei ist. Das sind doch die Fragen, die uns in der Pflege bewegen; neben der Frage, wie man den Beruf attraktiver machen kann. Das macht man auch durch Imagewerbung. Das macht man ganz sicher auch durch eine vernünftige Bezahlung, durch einen vernünftigen Arbeitsplatz, durch vernünftige Arbeitsbedingungen und dadurch, dass man den Arbeitsbedingungen Anerkennung gibt, meine Damen und Herren, aber nicht durch eine Kammer.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Pflegekammer kann kein einziges Gehalt eines Mitarbeiters und einer Mitarbeiterin steigern. Dies wird in Tarifverhandlungen zum Ausdruck gebracht. Deswegen trägt sie in keinem Punkt dazu bei. Das wissen viele. Deswegen sind viele gegen Ihre Pflegekammer. Deswegen ist sie so umstritten. Die Frage ist, ob Sie ein solch umstrittenes Projekt auf diese Art und Weise durchziehen wollen. Offensichtlich vermuten Sie, dass Ihnen die Zeit wegläuft. Deswegen gehen Sie in dieser Weise vor.

Wir werden in den Anhörungen dafür sorgen, dass alle diejenigen, die kritische Stimmen geäußert haben, in den Ausschussberatungen zu Wort kommen und sich dort intensiv mit ihren Punkten zu Wort melden können.

39 % konnten, als die Umfrage gelaufen ist, mit der Frage „Was ist eine PflegekammerÄ“ überhaupt nichts anfangen. 30 % hörten zum ersten Mal davon. 47 % haben eine Pflichtmitgliedschaft abgelehnt. Nur 42 % haben sich explizit dafür ausgesprochen.

Mein Fazit ist: Die Aufgaben, die Sie der Pflegekammer zudenken, kann sie nicht entsprechend umsetzen. Die staatlichen Organisationen, Berufsverbände, Gewerkschaften und Kostenträger haben diese Aufgaben inne. Die Aufwertung des Pflegeberufs, die sehr wünschenswert ist – nicht damit ich falsch verstanden werde -, wird durch die Installation einer Kammer sicherlich nicht so positiv zu beeinflussen sein, dass dadurch ein erkennbarer Mehrwert entsteht, der Kosten von 4,8 Millionen Euro und 50 Beschäftigte aufwiegen kann, meine Damen und Herren. Das Geld, das Sie dort ausgeben, wäre besser ausgegeben, wenn Sie es insgesamt in die Pflege, in die Ausbildung, in die Unterstützung von Schulen und Ähnliches stecken würden. Dann hätten Sie einen größeren Erfolg, als wenn Sie das Geld den Pflegekräften wegnehmen und es dafür verwenden, einen bürokratischen Apparat zu installieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Gudrun Pieper [CDU]: Ganz genau!)

Aber Sie brauchen das, weil das ein Instrument Ihrer Politik ist. Das ist ein Instrument, das man in den Instrumentenkasten packt. Auf der Schublade, die Sie aufziehen, steht vorne „Professionelles Anscheinerwecken“ darauf. Das ist genau das, was Sie machen. Sie wollen Aktionismus. Sie wollen ein Instrument ins Feld führen und den Menschen sagen: Hurra, wir machen bei der Pflege richtig etwas. Wir geben da richtig Gas. – Aber das Gegenteil ist bei Ihnen der Fall, Frau Ministerin! Es passiert eben immer weniger für die Pflege.

Sie haben damals gesagt, die Pflegesätze in Niedersachsen müssten verbessert werden. Aber die sind nur da verbessert worden, wo die Träger verhandelt haben. Ich kann keinen einzigen Fall erkennen, bei dem Sie maßgeblich dazu beigetragen hätten. Im Gegenteil: Sie haben noch nicht einmal dafür gesorgt, dass die Kommunen einlenken, wenn es darum geht, bessere Pflegesätze zu verhandeln.

Die Kommunen haben Ihnen vor einigen Jahren auf der Mitgliederversammlung des Niedersächsischen Landkreistags deutlich gesagt, dass sie davon ausgehen, dass sie selbst dafür zuständig wären, nicht Sie. Dem haben Sie damals nicht widersprochen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass das damals der Fall war. Sie haben in diesem Punkt nichts gemacht.

Sie haben jetzt Ihr großes Aushängeschild ins Feld geführt, nämlich Ihre Pflegefachkommission. Dieser Pflegefachkommission widmen Sie in Ihrem Koalitionsvertrag fast eine Seite, was die alles regeln soll. Diese Pflegefachkommission sollte alles das managen, was Sie ins Feld geführt haben.

Aber diese Pflegefachkommission hat Ihr Abteilungsleiter vor einigen Tagen sang- und klanglos eingestellt, weil er gesagt hat, so, wie das Konstrukt gewählt ist, könne er nicht erkennen, dass es zu Vorteilen und guten Ergebnissen führt. Deswegen haben Sie sie wieder eingestampft und den Termin, der anberaumt war, sogar wieder abgesagt. Die Pflegefachkommission, die Sie damals in Ihrer Regierungserklärung und hier in den Debatten so hochgehalten haben, als sei sie das Allheilmittel dafür, dass Sie eine vernünftige Pflegepolitik machen, haben Sie wieder eingestampft. Sie haben geglaubt, das gehe mal eben so zwischendurch und niemand merkt das. Natürlich merken die Menschen draußen, dass solche Instrumente einmal ins Feld geführt und dann sang- und klanglos tot gemacht werden. Das ist Ihre Politik: Da wird einmal zwei Jahre lang Anschein erweckt, und dann beerdigen Sie das Thema wieder. Dann ist es erledigt, und es hat am Ende nichts gebracht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben mit Ihren Instrumenten, die Sie gewählt haben, in der Sozialpolitik bisher überhaupt keinen Erfolg gehabt, meine Damen und Herren. Nicht an einer einzigen Stelle haben Sie die Bedingungen durch Ihr Handeln richtig gut ausgestaltet.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

Da haben wir zu unserer Zeit ganz andere Dinge auf den Weg gebracht. Frau Modder, wir haben das zu einer Zeit gemacht, als wir von Ihnen 3 Milliarden Euro Defizit, 3 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung übernommen haben, die höchste, die es jemals in Niedersachsen gab. In dieser Konsolidierungszeit haben wir erreicht, die ambulante Pflege zu stärken und dort mehr zu tun. Wir haben erreicht, die Pflege neu aufzustellen und sie zukunftsfähig zu machen. Wir haben erreicht, die Schulgeldfreiheit einzuführen. Das sind konkrete Dinge, die wir erreicht haben. Bei Ihnen ist augenblicklich, bis auf Fehlanzeigen, nichts, aber auch gar nichts festzustellen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Verheben Sie sich mal nicht, Herr Hilbers!)

Auf das Heimgesetz haben wir jahrelang warten müssen. Ihre Pflegekammer hängt ja nun auch schon längere Zeit in der Luft. Auch darüber haben Sie wahrscheinlich lange diskutiert, bis Sie damit endlich hier ins Parlamentsleben eingetreten sind, bis Sie das endlich dem Parlament vorgelegt haben.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

– Natürlich, die Pflegekammer diskutieren Sie doch, seit Sie an der Regierung sind.

(Johanne Modder [SPD]: Sie haben nichts für die Pflegekräfte gemacht! Gar nichts!)

– Natürlich haben wir das.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

– Sie haben verkannt, dass wir an den entscheidenden Stellen

(Zuruf)

– Das habe ich doch dem Kollegen Schmidt schon gesagt: Die größte Leistung ist gewesen, dafür zu sorgen, dass Tarifverträge, gültige Tarife bei der Aushandlung der Pflegesätze anerkannt werden müssen und dass sie nicht im externen Vergleich dazu führen dürfen

(Zuruf von Johanne Modder [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD – Jörg Hillmer [CDU]: Und eine Pflegekammer soll es jetzt richtenÄ Da lache ich doch!)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

Herr Kollege Hilbers! – In Richtung SPD-Fraktion: Sie wissen, Zwischenfragen machen Spaß und sind gut, aber nicht dauernd. Jetzt ist der Kollege Hilbers dran.

(Johanne Modder [SPD]: Er wiederholt sich dauernd!)

Die SPD-Fraktion hat ihre Redezeit noch. Bitte keine weiteren Zwischenrufe mehr in dieser Kanonade, wie sie im Moment gekommen ist! Sie müssen auch nicht auf jeden Zwischenruf eingehen, Herr Kollege.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Aber er darf!)

Reinhold Hilbers (CDU):

Das ist für mich immer ein Anzeichen dafür, dass Frau Modder es noch nicht verstanden hat. Deswegen muss ich es wiederholen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn das nicht Autosuggestion ist, dass man sich das selbst einredet und anschließend glaubt!

(Zurufe von der SPD)

– Es geht ja schon wieder los.

(Weitere Zurufe von der SPD)

– Ja, das alles tut Ihnen weh, weil das ein Kernpunkt dessen war, was Sie verändern wollten. Sie haben es aber nicht hinbekommen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wenn Sie auch nur an einer Stelle sagen, was Sie wirklich substanziell verändert haben, dann bin ich bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich sage Ihnen nur: Sie kündigen große Dinge an und stellen Sie anschließend wieder ein, so wie Sie die Pflegefachkommission wieder eingestellt haben, die Ihre große Errungenschaft sein sollte.

Ich sage Ihnen voraus: Mit diesem Gesetz werden Sie Schiffbruch erleiden. Dieses Gesetz, das Sie aufgelegt haben, wird viele Kritiker auch weiterhin auf den Plan rufen. Gegen dieses Gesetz wird man auch rechtlich vorgehen, ob das, was Sie hier machen, überhaupt verfassungskonform ist. Dieses Gesetz wird Ihnen nicht viel Freude bereiten, weil Sie viele Menschen enttäuschen werden. Was Sie hier an bürokratischem Aufwand machen, führt dazu, dass das Ergebnis nicht eintritt. Die Menschen erwarten viel und bekommen wenig.

Aber das ist Ihre Strategie, die Sie hier wählen. Ich nenne nur ein paar Stichworte. Sie haben das Landesamt für Bezüge neu mit einer Spitze versehen und wieder verselbstständigt. Sie haben die Ämter für regionale Landesentwicklung eingerichtet. Jetzt machen Sie die Pflegekammer. Für alles, was Sie machen, brauchen Sie Bürokratie und Institutionen. Setzen Sie doch einmal auf die Menschen! Wir haben doch in der Pflege nicht zu wenige Institutionen. Wir haben in der Pflege doch kein Erkenntnisdefizit. Wir haben doch kein Verbandsdefizit in der Pflege. Wir haben ein Umsetzungsdefizit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Daran müssen wir einmal gemeinsam arbeiten. Dann sind die Gelder besser bei der Umsetzung eingesetzt als da, wo Sie sie in die Bürokratie stecken. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

 Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Herr Kollege Hilbers

 

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