Erwiderung auf die Regierungserklärung ‚Haushaltskonsolidierung und Pflege des öffentlichen Vermögens – nachhaltige Haushaltspolitik für Niedersachsen‘

Am Sonntag hat die SPD in Nordrhein-Westfalen eine historische Wahlniederlage erlitten. Die Regierung Kraft ist krachend abgewählt worden. Ähnlich wie eine Woche zuvor die Küstenkoalition in Kiel. Rot-Grün wird langsam aber sicher zum Auslaufmodell. Das macht augenscheinlich auch die Spitzengenossen in Niedersachsen nervös.

Herr Weil scheint das Unheil am Freitag jedenfalls schon geahnt zu haben. Denn mit der kurzfristigen Anmeldung einer Regierungserklärung will der Ministerpräsident offenbar den Versuch unternehmen, von NRW abzulenken und die Parteifreunde in Niedersachsen für die eigene Regierungspolitik zu begeistern. Dieser Versuch startete aber schon bei der Terminierung chaotisch. Erst meldete die Staatskanzlei die Regierungserklärung für Dienstag an, dann sollte es der Mittwoch und dann doch wieder Dienstag sein – ein einziges Chaos!

Es wird aber noch schlimmer – heute um 13.00 Uhr stellt der Ministerpräsident mit dem Finanzminister Vorschläge für eine Steuerreform vor – eine Stunde später hält er eine Regierungserklärung zur Finanzpolitik und das Thema Steuerreform bleibt völlig außen vor – völlige Fehlanzeige. Wer koordiniert dieses Chaos eigentlich? Die linke Hand weiß hier offensichtlich nicht, was die rechte Hand tut.

Herr Weil, Sie haben hier eben eine Regierungserklärung abgegeben, die es in Sachen Selbstgefälligkeit und Ignoranz in jeder Hinsicht mit der inzwischen abgewählten Amtskollegin Hannelore Kraft aufnehmen kann. Sie stilisieren sich zum konsequenten Sanierer des Landeshaushalts, und Sie lassen sich feiern für Investitionen, die erst einmal nur auf dem Papier stehen. Das ist Anscheinserweckung pur.

Sie konsolidieren nicht – sie kassieren nur: Rot-Grün kann sich in diesem Jahr 2017 über Haushaltsentlastungen von 5,6 Milliarden Euro gegenüber 2012 freuen. Die Steuereinnahmen des Landes sind 2017 5,1 Milliarden Euro höher als 2012, gleichzeitig sind die Zinsausgaben um 485 Millionen Euro geringer als 2012. Das Land hat damit 2017 25 Prozent mehr Steuereinnahmen und 25 Prozent weniger Zinsausgaben als 2012.

Leider macht Rot-Grün aus diesen paradiesischen Verhältnissen nichts. Die rot-grüne Finanzpolitik ist völlig unambitioniert. Die günstigen Rahmenbedingungen sind einfach nur Glück. Rot-Grün in Niedersachsen kann jedenfalls nichts dafür! Bedanken Sie sich bei der Bundeskanzlerin für die gute Wirtschaftspolitik, die gute Führung Deutschlands und das wirtschaftsfreundliche Klima. Hätten sich die rot-grünen Steuererhöhungsphantasien durchgesetzt – Wiedereinführung der Vermögensteuer, Erbschaftsteuererhöhung, Erhöhung des Spitzensteuersatzes und so weiter – wäre die Wirtschaft in Deutschland abgewürgt worden und Sie könnten jetzt nicht in Rekordsteuereinnahmen baden.

Sie reden von Haushaltskonsolidierung. Faktisch haben sie aber keine eigenen Anstrengungen unternommen. Sie haben noch nicht einmal Ihre Aufgabenkritik zu Ende gebracht, die Sie 2013 angekündigt haben. Ich zitiere Ministerpräsident Weil aus der HAZ vom 22.4.2013: „Wir haben uns eine Aufgabenkritik vorgenommen, die hart und mühsam werden wird. Notwendig wird zum einen eine Priorisierung von Aufgaben: Was ist unerlässlich, worauf können wir verzichten? Vor allem aber wird es darum gehen, staatliche Aufgaben effektiver wahrzunehmen und ein nicht hinreichend verzahntes Nebeneinander staatlicher Akteure zu verhindern.“

Die Landesregierung hat für die Aufgabenkritik Lenkungskreise eingerichtet, eine Geschäftsstelle geschaffen und vieles mehr. Und jetzt, vier Jahre und zwei Monate später, ist die Aufgabenkritik komplett gescheitert. Keine Ergebnisse. Modernisierung: Fehlanzeige. Das sind verlorene Jahre für Niedersachsen. Rot-Grün hat Strukturen geschaffen, aber vergessen Ergebnisse zu liefern.

Stattdessen haben Sie die Grunderwerbsteuer erhöht. Ihre 2014 in Kraft getretene Steuererhöhung spült Ihnen rund 93 Millionen Euro Mehreinnahmen in die Landeskasse. Sie haben auch den Ministerialapparat aufgebläht und die Revitalisierung der Bezirksregierung, die neuen Ämter für regionale Landesentwicklung, revitalisiert. Das alles zeigt: Sie haben keinen Kompass für das Land.

Wir haben in Ihrer Regierungserklärung viele Allgemeinplätze gehört. Zugegeben: Viel erwartet haben wir nicht. Dass man aber derart an den drängendsten Themen der Landespolitik vorbeiredet, dass man Probleme derart ausblendet, das hat uns dann doch noch einmal negativ überrascht. Das haben die Menschen in Niedersachsen nicht verdient!

 

I.

Kein Wort heute von Ihnen zu den jüngsten Vorgängen bei Volkswagen. Was gedenken Sie zu unternehmen, damit Volkswagen endlich wieder in ruhigeres Fahrwasser steuert? Ihre Sprachlosigkeit ist langsam Besorgnis erregend. Sie lassen die Dinge einfach weiter laufen. Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Es ist verantwortungslos, Herr Weil!

 

Kein Wort auch zu den Perspektiven der Norddeutschen Landesbank, deren Probleme sich durch die Übernahme der Bremer Landesbank noch einmal verschärft haben. Wie steht es um die Arbeitsplätze in Hannover und Oldenburg? Zu welchen Unterstützungsmaßnahmen wäre die Landesregierung im Ernstfall bereit? Auch dazu von Ihnen heute kein Wort.

Dabei sind beide Themen alles andere als Peanuts. Es sind die beiden wichtigsten Beteiligungen des Landes. Ich vermag nicht zu erkennen, dass diese beiden Beteiligungen bei dieser Landesregierung in guten Händen sind!

Ich hätte an dieser Stelle auch konkrete Aussagen erwartet, wie Sie der unverändert schlechten Unterrichtsversorgung, den wachsenden Schwierigkeiten bei der Inklusion und dem ungelösten Problem des Fachlehrermangels begegnen wollen. Das notwendige Geld dazu hätten Sie. Aber Sie haben keinerlei Konzepte in der Schublade. Frau Heiligenstadt hat die notwendigen Vorarbeiten dazu beharrlich verweigert. Aber auch die Staatskanzlei macht der Kultusministerin nicht den notwendigen Druck. Im Gegenteil: Der Chef der Staatskanzlei scheint ja bereits mit der Koordinierung von Gesetzesvorhaben maßlos überfordert!

 

II.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen: Die Land- und Ernährungswirtschaft ist nach der Automobilwirtschaft der zweitwichtigste Wirtschaftsfaktor in Niedersachsen. Mit Homann in Dissen trägt sich ein traditionsreicher Großbetrieb der Ernährungswirtschaft mit Abwanderungsgedanken. Tausende von Arbeitsplätzen stehen im Südkreis Osnabrück auf der Kippe. Aber auch hierzu von Ihnen heute kein Wort.

Herr Weil, im Wahlkampf 2012/2013 haben Sie mit Blick auf die Nordseewerke in Emden gesagt, Industriepolitik werde unter Ihrer Führung zur Chefsache. Ich stelle fest: Im Fall Homann sind Sie dieser Verantwortung nicht gerecht geworden! Sie haben die Causa Homann allein Ihrem Wirtschaftsminister überlassen. Es blieb bei einem pflichtschuldigen Termin in der Staatskanzlei, bei dem Sie offenbar nichts konkret anzubieten hatten. Ist das Ihre Vorstellung von einer nachhaltigen Ansiedlungspolitik?

Die Liste der Probleme, die entschlossenes Handeln der Landesregierung erfordern, ließe sich fortsetzen: Denn auch im Bereich der Inneren Sicherheit liegt einiges im Argen. Im Grunde ist Herr Pistorius nämlich der politische Zwilling seines Amtskollegen Jäger in NRW: Er verantwortet ähnlich viele Pannen, er ist ähnlich groß im Schönreden. Der einzige Unterschied: Boris Pistorius macht vor den Kameras und Mikros immer gute Miene zum bösen Spiel!

Dieser Innenminister ist ein Meister in Sachen Anscheinserweckung. Da präsentiert er im Januar gemeinsam mit der Justizministerin ein Eckpunktepapier zur Terrorbekämpfung und erklärt, die Fußfessel für Gefährder gesetzlich zu verankern. Aber auch knapp vier Monate später liegt noch immer kein beratungsfähiger Entwurf zum Polizeigesetz vor. Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit, es ist verantwortungslos. Wer den Polizisten in Zeiten wachsender islamistischer Bedrohungen nicht die notwendigen Instrumentarien an die Hand gibt, der ist am Ende selbst eine Gefahr für die Innere Sicherheit und Ordnung!

 

III.

Es gibt bei Ihnen auf der Regierungsbank ein Grundproblem seit Beginn dieser Legislaturperiode: Sie glauben, dass man im Zweifel die notwendigen Dinge liegen lassen und später machen kann. Das gilt auch und gerade für die Themen, die Sie heute in Ihrer Regierungserklärung konkretisiert haben.

Da ist zum einen der wachsende Investitionsstau bei den niedersächsischen Krankenhäusern. Wir haben dazu in den vergangenen Jahren mehrfach seriös gegenfinanzierte Haushaltsanträge vorgelegt. Sie haben unsere Vorschläge stets abgelehnt. Erst jetzt, in Zeiten des Vorwahlkampfs, werden Sie aktiv: Das ist das Gegenteil von nachhaltig!

Auch die Probleme bei der MHH und der Uniklinik Göttingen waren lange bekannt. Sie haben auch hier jahrelang zugewartet. Es bedurfte erst einer Vielzahl parlamentarischer Anfragen, bis man sich der Sache angenommen hat.

Tatsache ist: Sie ersticken im Geld. Die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung sind ein Beleg dafür. Laut aktuellen Prognosen kann das Land Niedersachsen für die Jahre 2017 und 2018, wie schon in den vergangenen Jahren, mit deutlichen Steuermehreinnahmen rechnen. In diesem Jahr sind es 194 Millionen Euro zusätzlich, in 2018 sogar 278 Millionen Euro. Insgesamt liegen die Mehreinnahmen 2021 bei rund 1,25 Milliarden Euro. Sie finden geradezu paradiesische Zustände vor. Aber Sie machen nichts draus. Sie sind nicht einmal bereit, zeitnah einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Haben sie denn gar keinen Gestaltungsanspruch mehr?

Trotz Rekordsteuereinnahmen und historisch niedrigem Zinsniveau ist die Investitionsquote so gering wie nie zuvor. Und Sie stellen sich hier heute hin und versuchen den Eindruck zu vermitteln, Ihre Landesregierung stünde für einen pfleglichen Umgang mit öffentlichem Vermögen? Das Gegenteil ist der Fall!

Ich nenne ein konkretes Beispiel: Vor wenigen Wochen hat die Landesbehörde für Straßenbau quasi über Nacht entschieden, dass die Leinebrücke B6 bei Neustadt am Rübenberge für den Schwerlastverkehr zu sperren ist. Seitdem brettern die schweren LKWs im Neustädter Land über Landesstraßen, die so selbst zum Sanierungsfall werden. Für die Menschen auf den Dörfern ist das eine unerträgliche zusätzliche Belastung. Zumal die Anrainerkommunen der Umleitungsstrecke von den Behörden vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.

Herr Weil, unter Ihnen regiert in Niedersachsen der Stillstand. Rot-Grün selbst ist ein einziger Reparaturbetrieb. Und nicht einmal zum Ausbessern eigener Versäumnisse reicht die Kraft.

In dem heutigen Kommentar in der Braunschweiger Zeitung heißt es: „Durchwursteln heißt das Konzept in der Finanzpolitik, verpackt als heroischer Akt. Zudem wird immer deutlicher, wie schlampig und unkoordiniert SPD und Grüne oft regieren, zuletzt in einer Ausschreibungsaffäre im Wirtschaftsministerium. Ihr Motto ‚Gute Arbeit‘ sollte die SPD vielleicht mal Ernst nehmen.“

Die drei Landtagswahlen in diesem Jahr haben eines deutlich gemacht: In unsicheren Zeiten vertrauen die Menschen der politischen Kraft, die verlässlich regiert. Die Menschen schätzen es auch, wenn man ihre Probleme ernst nimmt. Von Rot-Grün in Niedersachsen lässt sich beides nicht behaupten. Sie sind ohne Ambitionen. Sie sind ohne Ehrgeiz. Sie sind ohne Plan für die Zukunft.