Landtagsrede vom 22. November 2016

Stenografischer Bericht der 112. Sitzung des Niedersächsischen Landtags

Tagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde a) Bundesautobahnen müssen Staatseigentum bleiben – Privatisierung der Fernstraßen verhindern – Antrag der Fraktion der SPD –

Reinhold Hilbers (CDU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Ministerpräsident, Herr Minister Lies, was ist eigentlich in diesen Stunden der Diskussionen über den Finanzausgleich ausgehandelt wordenÄ

– Ich zitiere aus der Welt von heute:

„Wie genau die Infrastrukturgesellschaft ausgestaltet werden solle, sei offen geblieben. Tatsächlich findet sich im entsprechenden Punkt der Einigung kein Wort über die künftige Form einer Autobahngesellschaft. Im Finanzministerium verweist man jedoch auf einen Zusatz: die Protokollerklärung des Landes Thüringen, das derzeit vom Linke-Politiker Bodo Ramelow geführt wird. Darin wollen die Thüringer festgehalten wissen, dass das, unveräußerliche und vollständige Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen sowie an der Infrastrukturgesellschaft Verkehr festgeschrieben werden soll‘. Im Finanzministerium interpretiert man das Protokoll so, dass keine andere Seite diese Meinung geteilt habe, denn es handele sich nur um einen Zusatz eines Vertreters.“

– „Eines Vertreters“ heißt es hier. â€"

„Und dass das Thema ‚Beteiligung Privater an den Autobahnen‘ damit sehr wohl thematisiert worden und – mit Ausnahme Thüringens – offenbar Konsens gewesen sei. Widerspruch anderer Beteiligter habe es jedenfalls Mitte Oktober nicht gegeben …“

(Glocke des Präsidenten)

Das ist Ihre Aussage. Sie haben das über sich ergehen lassen. Deswegen ist die Protokollerklärung nachgeschoben worden. Die haben Sie bei der Unterrichtung des Haushaltsausschusses überhaupt nicht vorgelegt. Sie haben dieses Thema schlicht und einfach nicht auf dem Schirm gehabt! Glauben Sie doch nicht allen Ernstes, Herr Ministerpräsident, dass dieser Kompromiss wieder aufgemacht wird! Entweder kriegen Sie den Finanzausgleich, mit dem Sie sich Ihre Interessen haben abkaufen lassen, oder Sie kriegen gar keinen Finanzausgleich. Jetzt tun Sie so, als hätten Sie mit dieser Angelegenheit nichts zu tun! Stehen Sie wenigstens dazu!

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Herr Kollege Hilbers, bitte kommen Sie zum Schluss!

Reinhold Hilbers (CDU):

Wie Finanzminister Schneider gesagt hat: Wenn man mit anderer Leute Geld –

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Es ist jetzt schon mehr Zeit verbraucht worden als vorgesehen. Bitte!

Reinhold Hilbers (CDU):

– Politik machen will, muss man das eben in Kauf nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank.

…

Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zum Einstieg in die Tilgung von Landeskrediten 2016 – Gesetzentwurf der Fraktion der FDP –

Reinhold Hilbers (CDU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eben haben wir gehört, wie Rot-Grün wirklich über Finanzpolitik denkt und welchen Stellenwert solide Finanzen in diesem Lande bei RotGrün haben, nämlich gar keinen.

(Zustimmung bei der CDU)

Man will Schulden machen. Investitionen gehen nur mit Schulden; Politik für Familien, Umwelt und Ähnliches geht nur mit Schulden. – Das ist offensichtlich das Selbstverständnis, das man hat: Alles, was man gestalten will, geht nur mit Schulden.

(Zurufe von der SPD)

Dabei haben Sie Steuereinnahmen, wie wir sie nie zuvor hatten. Seit 2005 sind die Steuereinnahmen in Niedersachsen um 5,1 Milliarden Euro gestiegen. Das sind plus 25 %, im Durchschnitt 5 % jährlich, meine Damen und Herren.

Sie haben ein historisch niedriges Zinsniveau und sparen damit 23 % Zinskosten gegenüber 2012, obwohl Sie über eine halbe Milliarde neue Schulden gemacht haben. Das sind 22,8 %, die Sie einsparen.

In der Zusammenfassung haben Sie also über 5 Milliarden mehr an Haushaltsvolumen zur Verfügung. Sie machen daraus nichts.

Jetzt kommt die Steuerschätzung, meine Damen und Herren. Deswegen hat die FDP an dieser Stelle völlig Recht.

Sie vereinnahmen im Jahr 2016  607 Millionen Euro,

(Adrian Mohr [CDU]: Die sie nicht brauchen!) 

die Sie nirgendwo veranschlagt haben. Für diese 607 Millionen Euro haben Sie überhaupt keine Ausgabebefugnis, Herr Minister. Die gehen ins Ergebnis. Nun folgen Sie doch einfach unserem guten Beispiel von 2012. Ich will es in Erinnerung rufen. Es war sechs Wochen vor der Landtagswahl, als die Mehrheit in diesem Hause damals den Mut gehabt hat, 855 Millionen Euro in die Kreditreduzierung zu stecken.

 (Christian Dürr [FDP]: Richtig!) 

Die Schuldenuhr wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Landes zurückgedreht. Meine Damen und Herren, das ist Fakt!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Zurufe von der SPD – Glocke der Präsidentin)

Folgen Sie doch einfach diesem Beispiel.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN) 

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Einen Moment, bitte, Herr Kollege Hilbers! – Wir fahren erst fort, wenn im Plenarsaal wieder Ruhe eingekehrt ist.

(Zurufe von den GRÃœNEN – Unruhe) 

– Herr Schremmer! – Einen Moment, bitte, Herr Kollege Hilbers! – Bitte!

Reinhold Hilbers (CDU):

Herr Kollege Heere: Tilgung. Sie haben lediglich Kredite aufgenommen, um damit andere Kredite zu tilgen. Hier ist gemeint, Kredite wirklich zurückzuführen.

Diese 607 Millionen Euro haben Sie nicht durch Ausgaben belegt. Die Taktik ist klar: Sie gucken sich anschließend das Ergebnis an; dann brauchen Sie Ihre globale Minderausgabe nicht mehr zu erbringen, die Sie sonst noch erbringen müssten; dann können Sie sich die Einsparung schon einmal einsparen und zusätzliches Geld ausgeben. Dann packen Sie sie, wie Sie es all die Jahre gemacht haben, in die Rücklage und haben nämlich keine wirkliche schwarze Null, sondern Sie nehmen immer noch aus der Rücklage heraus Kredite auf.

Hier sind 480 Millionen Euro Kredite ausgewiesen, die Sie durch Mehreinnahmen decken können, indem Sie sie einfach in den Etat hineinnehmen, wie sie nach der Steuerschätzung veranschlagt worden sind. Damit können Sie auf diese Kredite verzichten. Damit würden Sie dem Land und seiner Zukunft einen guten Gefallen tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Adrian Mohr [CDU]: Es wäre so einfach!)

Hören Sie doch endlich auf, immer alle Investitions- und Zukunftsfragen den Krediten gegenzurechnen. Sie sind tagtäglich unterwegs und sagen: Alle fundamentalen Aufgaben des Landes, alle Investitionen sind wegen der Schuldenbremse bzw. wenn man keine Kredite mehr aufnimmt, nicht mehr zu tätigen.

Sie müssen doch bei einem 30-Milliarden-EuroHaushalt, wenn Sie in den letzten fünf Jahren 25 % mehr Steuereinnahmen hatten, wenn Sie gegenüber Ihrem Entwurf noch einmal 607 Millionen Euro und im kommenden Jahr 280 Millionen Euro zusätzlich vereinnahmen können, einmal den Mut und die Kraft aufbringen, aus diesen Steuereinnahmen heraus und nicht auf Kredit und auf Kosten der nächsten Generation Ihre Aufgaben zu schultern. Diesen Mut müssen Sie aufbringen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese gestaltende Politik aber machen Sie nicht, weil Sie Ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Das heißt nämlich: Prioritäten setzen. Das heißt nämlich: klare Inhalte festlegen. Das heißt eben: weniger konsumtiv ausgeben, weniger für Personal und Ähnliches ausgeben und dafür mehr in die Investitionen geben. – Das fordern wir seit Jahren ein und werden das auch weiterhin einfordern.

(Zuruf von Maximilian Schmidt [SPD])

– Herr Schmidt, Sie könnten schon einmal mit den 280 Personen anfangen, die Sie in die Landesverwaltung, in die Ministerien eingestellt haben. Wenn Sie die Ämter für regionale Landesentwicklung auflösen würden, wären Sie schon ein Stück weiter.

(Beifall bei der CDU – Maximilian Schmidt [SPD]: Das stimmt doch alles nicht! Sie nennen falsche Zahlen! – Zuruf von Renate Geuter [SPD] )

– Ich sage Ihnen etwas, Frau Geuter. Ich zitiere aus der Mittelfristigen Planung 2013 bis 2017, Seite 50. Das ist übrigens Ihre Mittelfristige Planung, die Sie geschrieben haben und Herr Schneider unterschrieben hat. Dort heißt es auf Seite 50:

„Die Landesregierung hat deshalb am 3. Juli 2013 auch die Durchführung einer Aufgaben- und Budgetanalyse beschlossen. Mit den Erkenntnissen sollen Beiträge zur Bewältigung des demografischen Wandels und zum Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts geleistet werden. Es gilt, sinnvolle Aufgabenstrukturen zu identifizieren sowie die Möglichkeiten für Synergien, Umschichtungen und Einsparungen aufzuzeigen. Im Gegensatz zu bisherigen Verwaltungsreformen wird die Aufgaben- und Budgetanalyse ressortbezogen und in den Ressorts hierarchieübergreifend durchgeführt werden. Handlungsempfehlungen, die sich aus der Analyse ergeben, sollen grundsätzlich von den Ressorts erarbeitet werden.“

(Maximilian Schmidt [SPD]: Was ist daran jetzt falschÄ)

– Wir kommen gleich dazu.

„Hierzu werden in der jeweiligen fachlichen Verantwortung der Ressorts Projektgruppen eingerichtet. In den Ressorts bereits vorliegende Handlungsempfehlungen sollen ausdrücklich berücksichtigt werden. Die zentrale Steuerung obliegt einem auf Staatssekretärsebene besetzten Lenkungsausschuss. Eine Geschäftsstelle wird beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport eingesetzt."

Das klingt nach vollmundigen Ankündigungen. Daraus ist nichts mehr geworden. Die Aufgabenkritik ist sang- und klanglos verschwunden: null Ergebnis, null Einsparung, null Verwaltungsreform, null Abbau von Bürokratie und null Einsparung. Das ist das Ergebnis Ihrer Verwaltungsreform und Ihrer Aufgabenkritik!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Schneider, Sie haben an dieser Stelle nicht nur versagt, Sie sind hinter Ihren eigenen Erwartungen meilenweit zurückgeblieben. Das haben Sie bereitwillig in die Mipla geschrieben. Wahrscheinlich haben Ihnen die Koalitionsfraktionen einen Strick um die Hände gelegt, weil Sie nicht weiter arbeiten durften.

Stattdessen haben Sie aus Kreditermächtigungen jährlich zusätzliche Mittel in die Rücklage genommen. Sie haben mittlerweile 900 Millionen Euro in der Rücklage. Sie werden im nächsten Jahr 400 Millionen Euro Kredite aus der Rücklage aufnehmen. Sie werden im übernächsten Jahr 400 Millionen Euro aus der Rücklage nehmen. Sie haben jährlich ungefähr 1 Milliarde Euro alter Kreditermächtigungen wieder aktiviert und in die Ergebnisse übertragen.

Ich könnte Ihnen das alles im Detail vorlesen. Ich verzichte aber darauf und sage Ihnen nur: Sie haben nicht den wirklichen Mut, Kredite zurückzuführen. Sie machen das im kommenden Jahr nur – Sie haben das angekündigt, man wird sehen, ob die Koalitionsfraktionen Ihnen folgen werden, Herr Schneider -, weil Sie aufgrund des öffentlichen Drucks nicht mehr anders können, als das zu tun.

In Wirklichkeit wollen Sie die Nettoneuverschuldung null nicht. In Wirklichkeit wollen Sie nicht auf Kredite verzichten. Herr Heere hat das hier in aller Deutlichkeit dargestellt.

Sie machen keine solide Finanzpolitik. Nutzen Sie den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion dazu, noch in diesem Jahr auf Kredite zu verzichten! Denn in diesem Jahr können Sie wirklich eine schwarze Null schreiben und keine gefakte wie 2017 und 2018.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank, Herr Kollege Hilbers.

 

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