Landtagsrede vom 13. April 2016

Stenografischer Bericht der 94. Sitzung des Niedersächsischen Landtags

Tagesordnungspunkt 2: d) Nach den PanamaPapers: Schlupflöcher endlich schließen, Steuergerechtigkeit herstellen – Antrag Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Reinhold Hilbers (CDU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Um es gleich zu Beginn klar zu sagen: Steuerhinterziehung ist unanständig! Steuerhinterzieher schädigen das Gemeinwesen und sind unsolidarisch! Steuerbetrug, Steuerverschleierung und Geldwäsche gehören nachdrücklich und ausdrücklich bekämpft! Dagegen muss alles getan werden!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Zustimmung bei der SPD und bei den GRÃœNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das muss man aber wirkungsvoll tun. Das muss man nicht mit Schaum vor dem Mund tun, sondern man muss es analytisch tun, und man muss die richtigen Mittel wählen.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Ohne Schaum vor dem MundÄ Das geht bei Ihnen doch gar nicht! – Heiterkeit bei der SPD)

Herr Heere, Sie spielen sich hier auf wie ein moderner Robin Hood, der den Reichen das Geld nimmt und es an die Armen verteilt. Sie fordern hier wohlfeile Maßnahmen, von denen Sie wissen, dass Sie sie international gar nicht umsetzen können. Sie tun hier so, als wüssten einzig und allein Sie, was unternommen werden muss, erkennen aber nicht, dass auf diesem Feld bereits viele sehr erfolgreich tätig sind.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Nein! Wir hören Ihnen jetzt auch zu!)

Sie sollten das machen, was Ihr Finanzminister zu Beginn der Debatte über die Panama Papers, die uns alle erschüttert und erschrocken gemacht haben, gesagt hat. Finanzminister Schneider hat dem NDR nämlich erklärt:

„Der deutsche Staat habe den Kampf gegen Steuerhinterziehung in den vergangenen Jahren erheblich forciert, erklärte der SPD-Politiker.“

Er hat weiter gesagt:

„Als positiven Schritt im Kampf gegen Steuerkriminalität nannte Schneider das internationale Steuerabkommen, dem bisher 70 Staaten beigetreten sind. ‚Wir schieben damit den internationalen Datenaustausch an, dann brauchen wir auch keine CDs mehr zu kaufen.“

Ich kann ihn darin nur ausdrücklich unterstützen. Herr Heere, Sie sollten, was den Schäuble-Plan angeht, insbesondere was den Punkt internationale Transparenz zu schaffen betrifft, Ihren Finanzminister und den Bundesfinanzminister unterstützen. Herr Schneider, wenn Sie dabei die Unterstützung von den Grünen nicht bekommen – von uns haben Sie sie in dieser Frage ausdrücklich!

(Beifall bei der CDU РHeiner Sch̦necke [CDU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, Steuerbetrug können Sie nur bekämpfen mit internationaler Transparenz und indem Sie international kooperieren und den Informationsaustausch voranbringen. Dabei ist in den vergangenen drei Jahren, von der Bundesregierung angestoßen, mehr passiert als in den 30 Jahren zuvor. Ich sage nicht, dass wir dabei am Ziel sind. Aber ich weise ausdrücklich darauf hin, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble keiner ist, der Steuerverschleierung wünscht oder dort nachlässig handelt. Im Gegenteil! Er hat diese Dinge maßgeblich angestoßen. Sie sind in Europa und mit allen Staaten verhandelt worden. Es ist ein riesiger Erfolg, dass diese Verhandlungsergebnisse erzielt worden sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen Vereinheitlichung und Transparenz. Auch Panama muss hier kooperieren. Geschäfte mit den Staaten, die nicht kooperieren, müssen international teilweise verboten oder überwacht werden. Ich warne aber davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Bei den Briefkastenfirmen müssen wir sehr wohl zwischen unschädlichen leeren Firmenmänteln und schädlichen Briefkastengesellschaften, durch die etwas verschleiert oder vertuscht werden soll, unterscheiden.

Transparenz ist geboten, meine Damen und Herren. Aber das Wichtigste bei Transparenz ist, dass die zuständigen Behörden, nämlich die Steuerbehörden und die Strafverfolgungsbehörden sowie die für Geldwäsche zuständigen Stellen, in der Lage sind, an die entsprechenden Daten heranzukommen. Es muss klar sein, wem welches Unternehmen gehört. Es muss aus diesen Listen bzw. Aufstellungen zu erkennen sein, wer zu welchem Unternehmen gehört und wer welches Unternehmen zu welchem Zweck eingerichtet hat und was mit diesen Unternehmen passiert und wer für diese Unternehmen verantwortlich zeichnet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Gerald Heere [GRÃœNE]: Richtig!)

Deshalb müssen wir diese schwarzen Listen auf europäischer Ebene weiter voranbringen. Dieser Mechanismus funktioniert nur international. Sie müssen darüber mit allen Staaten verhandeln. Das alles sind souveräne Staaten, denen Sie nicht irgendetwas oktroyieren können, denen wir aber mit Nachdruck zeigen müssen, dass wir nicht willens sind, mit Staaten, die sich an diesen Dingen nicht beteiligen, Geschäfte zu machen, und dass wir sie unter besondere Beobachtung stellen.

Deutschland wird dieses Register der Unternehmenskonstruktionen und der wirtschaftlich Berechtigten, das Transparenz herstellen soll, schnell einrichten. Auch die 4. Anti-Geldwäsche-Richtlinie der Europäischen Union soll weiter vorangebracht werden, damit wir auch bei Geldwäsche zu noch effektiveren Formen der Bekämpfung kommen, damit wir insbesondere im Nichtbankenbereich Geldwäsche weiter bekämpfen können.

Nun zum letzten Stichwort. Sie haben über die Banken gesprochen. Banken, die sich an Geschäften, die diese Dinge fördern, beteiligen und deren Beteiligung offensichtlich nachgewiesen werden kann, gehören bestraft. Derartige Geschäfte sind heute schon rechtswidrig.

Wir müssen alles tun, dass diese Geschäfte erkannt werden; denn das alles hat nur dann einen Sinn, wenn Sie sie nachweisen können. Die Transparenz zwischen den Staaten steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Wir müssen die Transparenz herstellen.

Ich finde, der 10-Punkte-Plan von Schäuble bringt das hervorragend zum Ausdruck. Er hat es verdient, von der Niedersächsischen Landesregierung unterstützt zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank, Herr Hilbers.

 

Tagesordnungspunkt 12: Besprechung: Niedersächsische Kommunen in Not – Wird die Landesregierung helfenÄ – Große Anfrage der Fraktion der CDU â€"

Reinhold Hilbers (CDU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich werde diese sieben Minuten nicht benötigen. Aber es ist mir ein Anliegen, noch etwas zu den kommunalen Finanzen und zu der Frage, wie Sie die Kommunen in diesem Zusammenhang behandeln, zu sagen.

Ohne das kommunale Engagement und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, ohne die vielen Ehrenamtlichen und Kommunalpolitiker wäre die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung in Niedersachsen nicht zu lösen gewesen. Das müssen wir einmal festhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wissen Sie auch. Trotz dieses Wissens benutzen Sie die Kommunen in diesem Lande als Ihre Reservekasse. Das ist die Wahrheit, die aus dieser Anfrage hervorgeht, meine Damen und Herren.

Gerald Heere [GRÃœNE]: Das ist falsch! – Thomas Schremmer [GRÃœNE]: Milchmädchenrechnung! – Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÃœNEN)

– Regen Sie sich nicht auf, ich rechne Ihnen das vor. Sie müssen nur in den Haushalt schauen. – Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Buchhaltung lügt nie, und die Zahlen, die Sie abrufen können, sind, wie sie sind.

(Lachen bei der SPD – Gerald Heere [GRÃœNE]: Die Buchhaltung vielleicht nicht, aber der Buchhalter!)

Sie haben ausweislich des Haushalts 2015 den Kommunen in Niedersachsen 533 Millionen Euro zufließen lassen. Das kann Ihnen Herr Schneider bestätigen. Ich kann Ihnen das auch vorrechnen: 118 Millionen Euro für die Unterbringung, 120 Millionen Euro aus einem Sonderprogramm im ersten Nachtragshaushalt – 40 Millionen Euro davon sind Landesmittel, 80 Millionen Euro sind Bundesmittel, von denen das Land 40 Millionen Euro zurückzahlen darf. Da haben Sie also 120 Millionen Euro an die Kommunen verteilt. Dann haben Sie eine Vorauszahlung aus den Mitteln, die das Land vom Bund bekommen hat, in Höhe von 250 Millionen Euro geleistet. Weiter haben Sie noch etwas für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gezahlt. Wenn Sie das alles zusammenrechnen, kommen Sie auf diese Summe.

Wenn Sie sich die Summe in 2016 anschauen, dann stellen Sie fest, dass den Kommunen nur noch 419 Millionen Euro zufließen, weil Sie die 250 Millionen Euro, die Sie aus den Bundesmitteln gezahlt haben, wieder von der Vorausleistung abziehen. Bei dieser Vorausleistung ist das so, als ob Sie sich in einem Monat Ihr Gehalt im Voraus auszahlen lassen. Das hilft nur in dem einen Monat, in dem Sie die Vorauszahlung bekommen. Anschließend ist es wieder genauso übel, wie es vorher war. Sie haben den Kommunen dieses Geld also vorenthalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Obwohl Sie in 2016  365 Millionen Euro vom Bund bekommen, fließt in die Kasse der Kommunen definitiv weniger Geld als im Jahr zuvor, obwohl sie viel mehr Flüchtlinge vor Ort unterbringen müssen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU – Gerald Heere [GRÃœNE]: Sie haben es immer noch nicht verstanden!)

Weiter will ich sagen: Sie haben die Gemeindekassen- und -haushaltsordnung geändert, und zwar, weil Ihnen die kommunalen Spitzenverbände aufs Dach gestiegen sind, da Sie auch noch drohten, die Kreisumlage zu erhöhen. Deshalb haben Sie die Kommunen in der Haushaltsordnung verpflichtet, dieses Defizit, nämlich die Forderungen gegenüber dem Land, auszuweisen.

Dazu sage ich Ihnen auch noch etwas: Darin ist das enthalten, was Sie den Kommunen noch schulden; denn Sie haben den Abrechnungszeitraum für Leistungen für Flüchtlinge nicht vorgezogen, sondern rechnen nach den alten Flüchtlingszahlen vom vorvorletzten Jahr ab.

(Gerald Heere [GRÃœNE]: Das ist vorgezogen worden!)

meine Damen und Herren, ich kann Ihnen das an einem Beispiel zeigen. Ein Landkreis wie der Landkreis Grafschaft Bentheim hat nach Ihrer Liste – das ist nicht meine Rechnung -, die Sie mit Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage verteilt haben, Kosten in Höhe von 14,6 Millionen Euro in 2016. Sie erstatten ihm – in der Drucksache steht ja auch, was ihm zufließt – 4,6 Millionen Euro. Das ist ein Defizit von 10 Millionen Euro für einen Landkreis mit 130 000 Einwohnern, meine Damen und Herren. Das ist draußen im Lande und in den Kommunen los! Aber das vernachlässigen Sie! Das wollen Sie nicht wahrhaben! Das ist aber wahr, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Warum nennen Sie die Zahlen nicht dazu, wie viele Forderungen die Kommunen eingebucht habenÄ – Sie können doch ermitteln, wie viel die Kommunen eingebucht haben. Es sind nahezu 400 Millionen Euro, die die Kommunen noch von Ihnen bekommen.

(Zurufe von der SPD)

– Natürlich. Ich habe ja nicht gesagt, dass sie das nicht bekommen, Herr Heere. Ich habe gesagt – – –

(Zuruf von den GRÃœNEN: Das ist doch der entscheidende Punkt! – Unruhe)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

Meine Damen und Herren, ich unterbreche mal kurz. Entschuldigung, Herr Hilbers!

Es gibt Rednerinnen und Redner mit kräftiger Stimme. Die setzen sich wie Herr Hilbers auch so durch. Aber irgendwann ist die Grenze erreicht. Deswegen weise ich darauf hin: Lassen Sie das jetzt mit den Zwischenrufen. Hier im Parlament ist das System der Rede und Gegenrede anzuwenden. Auch die Argumente der anderen Seite hört man sich an. Das ist normal. Das ist die Aufgabe des Parlamentarismus und der Debatte.

Deswegen h̦ren wir jetzt bis zum Schluss ganz ruhig Herrn Hilbers zu. РBitte!

Reinhold Hilbers (CDU):

Herr Heere, nun will ich Ihnen antworten. Ich habe nicht behauptet, die Kommunen bekommen das nicht. Ich habe gesagt, Sie benutzen sie als Reservekasse, weil sie es nämlich später von Ihnen bekommen. Wenn Sie eine doppelte Buchführung hätten, wenn also das Land die Doppik hätte, wie es bei den Kommunen draußen der Fall ist, die Forderungen einbuchen müssen – es ist nämlich bei der doppelten Buchhaltung so, dass, wenn der eine eine Forderung hat, der andere eine Verbindlichkeit hat -, dann hätten Sie diese 400 Millionen Euro als Verbindlichkeit, als Schulden für dieses Jahr einbuchen müssen. Das wäre die Wahrheit gewesen. Das ist richtig.

(Zustimmung bei der FDP)

Sie haben 400 Millionen Euro Schulden draußen bei den Kommunen. Die bekommen das Geld noch von Ihnen, weil sie die Vorfinanzierung leisten müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Das ist der Punkt, bei dem Sie mit den Kommunen nicht ordentlich umgehen. Das sollten Sie auch so deutlich sagen. Das versuchen Sie zwar zu verschleiern. Aber das ist die Realität.

Ich will Ihnen noch etwas zum Wohnungsbau sagen, zu diesen 400 Millionen Euro, die Sie da groß aufgelegt haben. Das ist ein Darlehensprogramm der NBank. Darin steckt überhaupt kein eigenes Landesgeld. Das muss sich über den Wohnbauförderfonds refinanzieren. Die Dinge sind  augenblicklich überhaupt nicht wirkungsvoll. Deswegen diskutiert man ja über Sonderabschreibungen und Ähnliches. Damit tun Sie sich schwer. Sie haben sich bisher schwergetan, überhaupt mitzumachen, weil Sie für die Steuerausfälle, die Sie dann haben, Ersatzleistungen des Bundes haben wollten, da die Einkommensteuer bei einigen vielleicht gemindert wird, wenn diese Sonderabschreibung entsprechend genutzt wird.

Sie haben bei der Wohnungsbaupolitik überhaupt kein eigenes Geld eingebracht. Im Gegenteil: Ihr Finanzminister hat fleißig darüber spekuliert, ob er nicht die Grunderwerbsteuer noch einmal erhöhen kann.

Auf der einen Seite bringen Sie zusätzliches Geld hinein, und auf der anderen Seite wollen Sie ab dem nächsten Jahr jährlich 100 Millionen Euro über die Grunderwerbsteuer wieder herausziehen. Die Investoren legen das aber über die Miete wieder um. Das heißt, dass alle diejenigen, die das nutzen, es bezahlen müssen. Damit leisten Sie der Wohnungswirtschaft einen Bärendienst. Mit Sicherheit kurbeln Sie damit nicht die Wohnungswirtschaft an und sorgen nicht dafür, dass es ausreichend Wohnraum bei uns gibt. – Auch da Fehlanzeige!

Ich finde, Sie haben mit dieser Anfrage mehr als deutlich gemacht, dass Sie riesige Defizite im Umgang mit den Kommunen haben. Diese Landesregierung, die Politik, die hier gemacht wird, so eine kommunalfeindliche und kommunalunfreundliche Politik, die Sie, meine Damen und Herren, hier veranstalten, hat dieses Land in den letzten 15 Jahren nicht erlebt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Zuruf von der FDP: Richtig! – Gegenrufe von der SPD)

Hören Sie auf, sich so aufzuregen! Fangen Sie an, konsequent Politik für die Kommunen zu machen! Dann können Sie sich dort auch wieder sehen lassen. Die Menschen werden Ihnen bei der Kommunalwahl schon zeigen, wer die Kommunalpartei ist und wer nicht, wer für die Kommunen sorgt und wer nicht. Sie haben in der Antwort auf die Große Anfrage bewiesen, dass auf jeden Fall nicht Sie die Garanten und nicht die Interessenhüter der Kommunen sind. Im Gegenteil: Für Sie sind sie die Reservekasse. Für Sie sind sie diejenigen, die das erledigen müssen, die Sie heranziehen können, wann Sie wollen, und die die Aufgaben zu erledigen haben. Es ist kein kommunalfreundlicher Umgang, was Sie machen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Herr Hilbers. Sie sehen: Sie haben die sieben Minuten Redezeit doch gebraucht.

 

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