Landtagsrede vom 7. Juni 2016

Stenografischer Bericht der 98. Sitzung des Niedersächsischen Landtags

Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung: Nettoneuverschuldung senken – Kommunen entlasten – Krankenhäuser stärken – rot/grüne Landesregierung muss Nachtragshaushalt 2016 vorlegen! – Antrag der Fraktion der CDU –

Reinhold Hilbers (CDU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir legen Ihnen heute einen Entschließungsantrag vor, der vier eindeutige Forderungen enthält.

Er fordert, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, der endlich Schluss damit macht, die Nettoneuverschuldung nach oben zu treiben, obwohl die Steuereinnahmen in historische Dimensionen gelangen und die Zinsausgaben immer weiter sinken.

Er fordert, dass wir die Kommunen anständig behandeln, was die Ausgleichsleistungen für die Flüchtlinge angeht, damit die Verschiebungen, die im Haushalt möglich sind, auch gemacht werden, weil die eigenen Ausgaben längst hinter dem zurückbleiben, was man eingeplant hat. 

Er fordert, dass die Krankenhausfinanzierung auf neue Füße gestellt wird.

Und er fordert, dass in der mittelfristigen Finanzplanung klargestellt wird, dass mit der Politik des maximalen Schuldenmachens bis 2020 Schluss gemacht wird und dass wir spätestens vom nächsten Jahr an ohne neue Schulden auskommen werden. Sie können das!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir fordern dies im Wege eines Entschließungsantrags, weil wir wissen, dass Sie, Herr Schneider, das Initiativrecht und die Initiativmöglichkeit für einen Nachtragshaushalt haben. Deswegen müssen Sie jetzt auch handeln.

Das Magazin des Steuerzahlerbundes titelt in seiner neuesten Ausgabe „Finanzminister im Glück“ und hat in einer Grafik aufgezeigt, wie die Steuereinnahmen nach oben schießen.

(Der Redner zeigt eine Grafik)

Sie haben historisch hohe Steuereinnahmen und nutzen die Möglichkeiten nicht. Die Rekordsteuereinnahmen, die Sie verzeichnen, klettern in 2016 auf 24,4 Milliarden Euro. Das sind brutto 308 Millionen Euro mehr, als im Haushaltsplan ausgewiesen ist. Bis 2019 sind es 969 Millionen Euro mehr.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Fast eine Milliarde!)

Das ist fast eine Milliarde mehr gegenüber Ihrer jetzigen Planung. Die Steuermehreinnahmen in 2016 gegenüber 2015 belaufen sich auf 575 Millionen Euro. Gegenüber 2014 haben Sie 2,5 Milliarden Euro mehr. Gegenüber 2013 haben Sie 2,7 Milliarden Euro mehr und gegenüber 2012  3,8 Milliarden Euro mehr.

(Björn Thümler [CDU]: Dagobert Schneider!)

Sie haben gegenüber 2012  19 % mehr in der Kasse und haben es kaum geschafft, die Nettokreditaufnahme auch nur nennenswert abzusenken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Dr. Stephan Siemer [CDU]: Ein schwaches Bild!)

Es gibt noch einen zweiten Aspekt, nämlich die Zinsen: Sie können nichts dafür, dass Draghi eine solche Zinspolitik macht. Dazu können wir alle hier im Hause wenig beitragen. Sie können aber den daraus resultierenden Effekt verbuchen. Sie haben nämlich rund 180 Millionen Euro weniger Zinsausgaben als 2015. Sie haben 374 Millionen Euro weniger als 2012 und übrigens 440 Millionen Euro weniger, als Rot-Grün 2013 in ihrer ersten eigenen mittelfristigen Finanzplanung vermerkt hat. Das alles eröffnet Ihnen ungeahnte Möglichkeiten, endlich dahin zu kommen, keine neuen Schulden mehr zu machen und die Politik des maximalen Schuldenmachens aufzugeben, meine Damen und Herren.

Wenn man alle Einsparungen durch die Zinsen in den Jahren 2013 bis 2016 gegenüber der Mipla zusammenrechnet, kommt man auf 2,2 Milliarden Euro. Sie haben, wie es der Kollege Grascha angesprochen hat, von uns ein Rücklagenpolster in Höhe von 550 Millionen Euro geerbt.

(Renate Geuter [SPD]: Sie hatten mal eine Milliarde! Schon vergessenÄ)

– Richtig, wir hatten mal eine Milliarde! Die hatten wir auch erwirtschaftet, Frau Geuter, obwohl wir damals konsolidiert haben. Sie aber betreiben die Politik des maximalen Schuldenmachens

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

und packen das Geld in die Rücklage. Dazu erzähle ich Ihnen gleich etwas.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Zuruf von Johanne Modder [SPD])

 – Ja, wir kommen dazu, Frau Modder! 

(Anja Piel [GRÜNE]: Sie! Ich glaube, wir nicht! Darauf lege ich schon Wert!)

Wir haben Ihnen 550 Millionen Euro hinterlassen. Das können Sie nachrechnen.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Ein dickes Erbe!)

Sie haben uns damals übrigens 700 Lehrer hinterlassen, die Sie nicht bezahlen konnten, und hatten damals ein Leck von 3 Milliarden Euro in der Kasse. Das war das Erbe, das wir damals angetreten haben! Sie haben von uns 550 Millionen Euro bekommen. Das war unser Erbe. 120 Millionen Euro haben Sie für den 2. Nachtrag 2015 verbraucht.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Die Kasse war alle!)

Dann haben Sie immerhin noch 430 Millionen Euro als Rücklagenpolster zur Verfügung.

(Detlef Tanke [SPD]: Sagen Sie mal etwas zu Ihren Schulden!)

– Herr Tanke, reden Sie doch nicht über Finanzen! Herr Tanke, kümmern Sie sich doch weiter um den Generalsekretärsposten! Damit haben Sie doch mittlerweile genug Arbeit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Anja Piel [GRÜNE]: Das war ja von jeglicher epischer Tiefe, Herr Hilbers!)

Sie haben 120 Millionen Euro verbraucht und haben immer noch 430 Millionen Euro zur Verfügung. Im Jahresabschluss 2015 hatten Sie eine Entnahme von 120 Millionen Euro aus der Rücklage geplant. Davon haben Sie abgesehen. Sie konnten sie zuführen. Sie haben dann noch zusätzlich 429 Millionen Euro aus dem Abschluss in die Rücklage übertragen. Sie haben Kreditermächtigungen in die Rücklage gesteckt. Sie haben mittlerweile ein Rücklagenpolster, das nicht mehr bei 550 Millionen Euro, sondern bei nahezu 1 Milliarde Euro liegt. Wenn man die Entnahme für 2016 abzieht, dann haben Sie 900 Millionen Euro in der Rücklage.

Sie legen auf Kosten von Kreditaufnahmen eine Kriegskasse an, aus der Sie Geld verteilen wollen, wenn der Wahltermin näher rückt. Das ist Ihre Politik, Herr Schneider, das ist das, was Sie „vorsichtige Haushaltspolitik“ nennen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Herr Kollege, wir führen keinen Krieg, und Sie brauchen sich nicht so aufzuregen! Denken Sie an Ihren Blutdruck!)

– Frau Piel, ich weiß, wie Sie einsparen. Ich kann das ja mal erzählen; denn das ist ganz unterhaltsam. Als Journalisten Sie gefragt haben, wie Sie den Haushalt konsolidieren wollen, haben Sie Folgendes geantwortet: Ihre Fachpolitiker hätten 100 Millionen Euro Mehrausgaben gefordert, und Sie hätten das auf 40 Millionen Euro zusammengestrichen. – Wenn das für Sie Konsolidierung ist, dann habe ich natürlich Verständnis dafür, dass der Minister das ganze Geld bunkert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Schneider, Sie legen sich da ein Bunkerkonto an.

(Anja Piel [GRÜNE]: Es wird immer schlimmer!)

Sie hatten alle Möglichkeiten, die Nettokreditaufnahme nicht in dieser Größenordnung in Anspruch zu nehmen, die Kreditermächtigungen in Abgang zu stellen und auf die 429 Millionen Euro Zuführung zur Rücklage zu verzichten – weil schon ungefähr eine halbe Milliarde Euro in der Rücklage stehen. Warum haben Sie das nicht gemachtÄ

Sie haben die Chance, die Nettokreditaufnahme abzusenken, nicht genutzt. Ich erinnere Sie daran, dass wir genau das seinerzeit sehr beherzt getan haben. Wenige Monate vor der Landtagswahl haben wir über 800 Millionen Euro Kreditaufnahme in Abgang gestellt. Das war eine konsequente Politik. Wir haben nicht in Wahlgeschenke investiert, sondern wir haben die Kreditaufnahme zurückgeführt, um die Schuldenlast des Landes zu reduzieren.

(Christian Dürr [FDP]: So war das!)

Sie hingegen halten krampfhaft an dem Ziel fest, bis 2020 maximal Schulden zu machen. Damit wollen Sie sich Freiräume eröffnen, die Sie sonst nicht hätten.

Wenn Sie das Geld wenigstens noch investieren würden! Aber nein – der Kollege Grascha hat es bereits angesprochen -, Sie haben die niedrigste Investitionsquote, die es in Niedersachsen jemals gab. Der Rechnungshof hat Ihnen das vorgerechnet und auch dezidiert deutlich gemacht, dass Sie hier mehr tun müssen.

(Zuruf von Renate Geuter [SPD])

Daraufhin haben Sie gesagt, Sie arbeiten gegen das Erbe an.

Ich darf Ihnen das einmal vorrechnen: Sie haben die niedrigste Investitionsquote überhaupt. Sie geben nur noch 1,3 Milliarden Euro für Investitionen aus.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist Platz 16 in Deutschland, Herr Kollege!)

2012 hingegen waren es 2,3 Milliarden Euro, 2013 waren es immerhin noch 1,66 Milliarden Euro, 2011 waren es 1,89 Milliarden Euro, 2010 waren es 2,2 Milliarden Euro, und 2009 waren es immerhin 2,5 Milliarden Euro.

Herr Schneider, was Sie da machen, ist eine Vernachlässigung des Vermögens. Sie selbst treten den Beweis dafür an. Wenn Sie die Kreditaufnahme, die Rücklagenentnahme, die sinkenden Zinsen und das „Erbe“ damit wirklich belegen wollten, dann müssten Sie jetzt eine exorbitant hohe Investitionsquote haben; dann müssten Sie nämlich zu den 1,6 Milliarden Euro von damals noch die Steuermehreinnahmen von 700 Millionen Euro hinzurechnen.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Weiterhin hätten Sie die eingesparten Zinsausgaben in Höhe von 260 Millionen Euro hinzurechnen müssen sowie die Investitionen, die Sie aus Rücklagen und anderen Dingen finanzieren. Damit kommen Sie auf 2,5 Milliarden Euro, die Sie investieren müssten.

Sie aber investieren diese Summe nicht. Sie belegen also mit Ihren eigenen Argumenten, dass Sie die Investitionen vernachlässigen. All das Geld, das Sie kreditieren, das Sie ausgeben, leiten Sie in konsumtive Zwecke. Sie haben die niedrigsten Zinskosten, Sie haben die höchsten Steuermehreinnahmen, aber Sie nutzen dieses Delta nicht für Investitionen, sondern nur für konsumtive Zwecke. Sonst würde Ihnen die Investitionsquote nicht so abrutschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben in Ihren eigenen mittelfristigen Finanzplanungen damals mit mehr Investitionen gerechnet. Aber jetzt laufen Ihnen die Dinge konsumtiv aus dem Ruder.

Außerdem nutzen Sie die Kommunen als Reservekassen, meine Damen und Herren. Die jüngste Anfrage, die ich in diesem Zusammenhang gestellt habe, macht deutlich, dass die Kommunen 600 Millionen Euro Forderungen eingebucht haben bzw. hätten einbuchen müssen, wenn sie das nicht schon in ihren Jahresabschluss eingestellt hätten.

Bei einer doppelten Buchführung ist es ja so, dass der eine Verbindlichkeiten und der andere Forderungen einbucht. Wenn die Kommunen also Forderungen einbuchen, hat das Land ihnen gegenüber eine Verbindlichkeit. Wenn das Land ebenfalls die doppische Buchführung hätte, Herr Schneider, dann wären Sie nicht länger Hans im Glück; denn dann hätten Sie diese Verschuldung zusätzlich ausweisen müssen. Sie haben bei den Kommunen Schulden in Höhe von 600 Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit. Die werden Sie eines Tages begleichen müssen.

(Zuruf von der CDU: Wir werden das dann begleichen müssen!)

Die müssen Sie Ihren Schulden zurechnen. Sie benutzen die Kommunen als Reservekasse.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen ist es richtig, dass wir das ändern wollen. Sie haben bei den 1,3 Milliarden Euro Spielräume, die Ihnen für die Flüchtlingsarbeit zur Verfügung stehen. Nutzen Sie diese, um alles entsprechend auf den Weg zu bringen und die Kommunen deutlich zu entlasten. Die Kommunen stemmen die Hauptarbeit bei der Flüchtlingsarbeit, auch jetzt bei der Integration. Die Landesregierung hat ihre eigenen Einrichtungen zum Teil schlafend gestellt, bzw. diese sind mittlerweile leergeräumt. Deshalb haben Sie Spielräume, dort umzuschichten, Herr Schneider. Machen Sie dies im Rahmen eines Nachtragshaushalts. Werden Sie dort Ihrer Aufgabe gerecht!

Und werden Sie auch Ihrer Aufgabe bei der Krankenhausfinanzierung gerecht! Wenn Sie das über den Strukturfonds, den Sie dafür einrichten wollen, nicht hebeln können, wenn das nicht funktioniert, wie der Staatssekretär jüngst beim NLT verkündet hat, dann müssen Sie dort schnell eine Lösung finden, damit Sie den Kommunen und den anderen Trägern sagen können, wie die Krankenhäuser in Zukunft finanziert werden sollen.

Herr Schneider, hören Sie auf mit der Verschuldungspolitik! Machen Sie einen Schnitt, und geben Sie Kreditermächtigungen zurück! Legen Sie einen Nachtragshaushalt vor, der die Steuermehreinnahmen dazu einsetzt, die Nettokreditaufnahme deutlich abzusenken, der den Kommunen hilft und der der Krankenhausfinanzierung einen neuen Schub gibt. Achten Sie bei Ihrer mittelfristigen Finanzplanung darauf, endlich ohne neue Schulden auszukommen! Wenn nicht jetzt, wann dannÄ

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Zu Wort gemeldet hat sich Renate Geuter, SPD-Fraktion.